Führung durch die historische Worpsweder Mühle

event27.07.2024
 Dort, wo sich die Ausläufer des Künstlerorts Worpswede zu den Hamme-Wiesen öffnen, steht seit 1838 die Worpsweder Mühle, ein sogenannter „Erd- oder Wallholländer“, der die bereits seit 1701 an dieser Stelle stehende Bockwindmühle ersetzte. Müllerfamilien mahlten hier in acht Generationen Roggen, Weizen und Graupen. Getreide, das die regionalen Bauern mit Pferdewagen, im Winter auch mit Schlitten über die zugefrorenen Wiesen, anlieferten und als fertiges Futtermittel wieder mitnahmen. Seit fünf Generationen steht die Mühle im Eigentum der Familie Schwenke, die sie 1888 erwarb. 1985, nach dem Tod des letzten Worpsweder Müllers Hanns Heinrich Schwenke, einem Vorfahren des heutigen Worpsweder Bürgermeisters Stefan Schwenke, wurde der Mühlenbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Heute ist die Mühle, die an der Niedersächsischen Mühlenstraße liegt, längst ein Baudenkmal. 20 Mitglieder des Vereins „Freunde Worpswedes e.V.“, die im Herbst einen eigenen Mühlenverein gründen wollen, organisieren regelmäßig Führungen durch die historische Windmühle.

 

Zehn Mitglieder des Bürgervereins Borgfeld nutzten die Gelegenheit und ließen sich von Heino Böhme aus erster Hand erklären, was das Müllerhandwerk ausmachte. Der gebürtige Borgfelder ist selbst gelernter Müller und hat damit einen Beruf, der fast ausgestorben ist. Heute werden nur noch Hobby-Müller ausgebildet, um sich um die Museumsmühlen zu kümmern. „Ich habe von 1958 bis 61 in Borgfeld richtig Müller gelernt“, berichtet der heute 79-Jährige. Damals stand auch im Borgfelder Moorkuhlenweg Nr. 7 eine Mühle. Nach Stationen im Bäckereieinkauf und als Spediteur kehrte Böhme, inzwischen Worpsweder geworden, zu seinen Wurzeln zurück. 

 

„Müller war ein hartes Handwerk“, erklärt Heino Böhme. Viele seiner Kollegen seien nicht älter als 60 Jahre geworden, das aktive Berufsleben habe so lange gedauert, wie die Lebensdauer eines Mahlsteins: 30 Jahre. Die meisten Müller hätten durch das regelmäßige Einatmen des feinen Mehlstaubs eine Staublunge gehabt. „Zwei Pfund Mehlstaub sammelten sich über den Tag in den Klamotten an“, berichtet Böhme. Damals habe es keinen Mundschutz gegeben. Nicht wenige Müller hätten zudem einen kaputten Rücken gehabt, weil sie die bis zu zwei Zentner schweren Getreidesäcke hätten schleppen müssen. Das Einbauen neuer Mühlsteine, die über einen Kettenzug über das Dach in die Mühle verbracht wurden, sei eine „quälerische Arbeit“ gewesen. Der Blick auf die drei Tonnen schweren Mahlsteine mit einem Durchmesser von 175 cm und einer Dicke von 45 cm, die je nach Einstellung das Getreide entweder fein oder grob mahlen, lässt auch den letzten Zweifel an der schweren Arbeit verfliegen.

 

„In einer Mühle bewegt sich so ziemlich alles“, erklärt Heino Böhme sodann die Funktion. Über einen Rüttelschuh wird kontinuierlich Korn in das Mahlwerk geschüttet. Dieses wird über diverse Keilriemen, Spindeln und Sackwinden, die bis hin zu den Flügeln reichen, angetrieben. Jeder Flügel ist rund elf Meter lang. Bevor die Mühle in Betrieb genommen wird, müssen die Flügel geschlossen werden. „Früher mussten die Müller dafür im die Flügel klettern“, sagt Böhme. Der eine oder andere sei dabei abgestürzt, auch weil er („für eine freie Kehle“) schon den einen oder anderen Korn intus hatte. „Trinken war bei den Müllern weit verbreitet“. 

 

Ab Windstärke drei würden sich die Flügel drehen, aber erst ab Windstärke vier sei die Kraft groß genug, um das Korn zu mahlen. Bei Flaute haben sich die Müller an das Schärfen der Furchen in den Mühlsteinen gemacht. „Mit der Hand“, betont Böhme. Maschinen hätten viel zu viel Staub aufgewirbelt. Nach drei Tagen Arbeit habe so ein Stein mit einem „Galgen“ wieder auf das Mahlwerk gehoben werden können. Je nach Wind hätten die Müller auch nachts arbeiten müssen. „Das war unheimlich, weil dann auch die Fledermäuse in der Kuppel umhergeflogen sind“. Müller hätten durch die Nachtarbeit, aber auch weil sie den einen oder anderen Bauern mal beschupst hätten, nicht den besten Ruf gehabt, weiß Böhme. „Beim Wiegen haben sie das Gewicht des fertigen Mehls erhöht, indem sie ihren Fuß mit auf die Waage stellten“, plaudert der 79-Jährige aus dem Nähkästchen. 

 

Auch wenn die Worpsweder Mühle schon 1985 außer Betrieb genommen wurde, ist sie immer noch voll funktionsfähig. Dies zeigen Böhme und seine Mitstreiter regelmäßig bei Besuchen von Schulklassen oder auch am Tag des offenen Denkmals. Auch plattdeutsche Mühlenführungen sind möglich.